Das Festival "Wunder der Prärie" in Mannheim eröffnet: Inklusions-Parcours, interaktive Installation und Science-Fiction-Performance
„Wunder der Prärie“ ist das wohl unkonventionellste Festival der Metropolregion. Bis 26. September lädt das Mannheimer Künstlerkollektiv Zeitraumexit das Publikum ein, an wechselnden Spielstätten die Schnittstellen von Theater, Tanz und Bildender Kunst zu erkunden. „Fremd“ lautet das diesjährige Motto – wobei es weniger um fremde Menschen oder Orte geht, sondern um das Fremde in jedem Einzelnen selbst.
Immer wieder werde sie gefragt, wie sie auf die Themen kämen, die bei „Wunder der Prärie“ beleuchtet werden, erzählte Gabriele Oßwald bei der Festivaleröffnung. Gemeinsam mit Tilo Schwarz und Wolfgang Sautermeister ist sie für die künstlerische Leitung bei Zeitraumexit zuständig. Ihre Antwort ist logisch: „Wir wählen das aus, was uns interessiert.“ Und am Fremden interessierten die Festivalmacher weniger fremde Kulturen oder Kunstformen, als das Fremde in der eigenen Gesellschaft.
So beschäftigt sich die performative Installation „training. Spielstätte für inklusiven Humanismus“ des österreichischen Künstlerduos hoelb/hoeb mit verschiedenen Spielarten von Inklusion. Sportlich geht es in den ehemaligen Räumen der Stadtgalerie in S4 zu. Jeder Besucher bekommt zuerst mal ein Trainingslaibchen und kann dann den Parcours durchlaufen. Sportlich betätigen muss man sich allerdings nicht selbst. Das tun österreichische und deutsche Teams, die sich im Blindentorball messen.
Kunstwerke werden medizinischen Alltagsgegenständen wie Krankenbetten oder Beatmungsschläuchen gegenübergesetzt. Teil der Installation ist medizinisches Fachpersonal, das bei Schreibtischgesprächen den Besuchern und über ihre Arbeit und ihre Erfahrungen - beispielsweise mit
Alzheimerpatienten oder Menschen im Wachkoma – berichtet. Yulika Kostiv ist Pflegedienstleiterin des Pflegezentrums Maria Frieden in Mannheim. Dort werden Menschen betreut, die permanent beatmet werden müssen. „Das ist ein Pflegebereich, von dem Menschen, die nicht betroffen sind, oder betroffene Angehörige haben, kaum etwas wissen“, erzählt sie. Deshalb freut sie sich, Teil der Installation sein zu können. Grace Proch und Sören Landmann arbeiten seit Juli als Beauftragte für Chancengleichheit von Menschen vielfältiger sexueller Identitäten. Auch sie haben ihren Arbeitsplatz nach S4 verlegt. „Ich finde die Verknüpfung mit Kunst und inhaltlichen Themen sehr spannend“, sagte Landmann. „Ich denke, dass wir so Menschen erreichen, die wir sonst nicht erreichen würden.“ Die Beschäftigung mit Inklusion freute auch Wolfgang Biller, den stellvertretenden Leiter des Mannheimer Kulturamts, der zur Eröffnung gekommen war. „Zeitraumexit widmet sich oft aktuellen gesellschaftlichen Themen und stellt sie ästhetisch zur Diskussion“, lobte Biller.
Eine weitere Installation befindet sich in den Räumen von Zeitraumexit in der Hafenstraße. „Zakopane“ ist eine Hommage an den Roman „Solaris“ von Stanislav Lem. Nur jeweils ein Besucher darf das Reich, das Hanke Wilsmann und Jost von Harleßem – beide bekannt als F. Wiesel - geschaffen haben, betreten. Hinter einem Korridor mit grünen Neonleuchten befindet sich die Schleuse zu einer kleinen Station. Eine Stimme leitet den Gast, lädt ihn ein, die Station zu erkunden. Alles darf inspiziert und angefasst, alle Schalter gedrückt werden. Die Stimme gibt Anregungen und geht auf die Reaktionen des Besuchers ein, so dass jeder eine andere Erfahrung in „Zakopane“ macht. Es ist auch eine Erfahrung für das eigene Selbst. Wie reagiere ich in der künstlichen Umgebung? Wie gehe ich mit dem Gefühl um, beobachtet zu werden? Die Reise nach „Zakopane“ lohnt sich in jedem Fall. Interessierte können ihre Zeit unter www.flinkwiesel.de buchen.
Zu „Wunder der Prärie“ gehören auch stets Tanzperformances. Der Brasilianer Fernando Belfiore ist seit 2011 Teilnehmer des Residenz-Programms von Dansmakers Amsterdam. Seine selbst entwickelte Performance „AL13FB<3“ hinterfragt festgelegte gesellschaftliche Codes und zieht Rituale in Zweifel. Wummernde Technomusik wechselt sich mit fast schon rituellen Gesängen ab, Licht und Ausstattung wirken fast schon futuristisch. Als die Zuschauer den Raum betreten, hat die Performance praktisch bereits begonnen, Belfiore bewegt sich wie in Trance zwischen den Menschen. Dann verpuppt er sich in Alufolie, zerreißt seinen Kokon und begibt sich auf eine experimentelle Reise. Dabei probiert er aus, wie er seine Emotionen körperlich umsetzen kann. Mal wirkt er wild, mal zerbrechlich, mal komisch und liefert eine fulminante One-Man-Show ab.
Olivia Kaiser