Das Mannheimer Festival „Wunder der Prärie“ im September schickt Panzer durch die Straßen und fragt nach urbaner Zukunft
VON DIETRICH WAPPLER
„Laut geträumt“ wird diesmal beim Festival „Wunder der Prärie“. Die Träumereien geltender Stadt Mannheim und ihren Zukunftschancen. Vom 18. bis 28. September beschäftigen sich Akteure und Gruppen, die im Grenzbereich von Konzeptkunst, Performance, Tanz und Wissenschaft tätig sind, mit urbanem Umbruch, Stadtentwicklung und den sich daraus ergebenden sozialen Verwerfungen. Veranstalter des alle zwei Jahre stattfindenden Festivals ist das Künstlerhaus Zeitraumexit.
Nur ein Viertelstündchen kamen die Leute von raumlaborberlin diesmal zu spät. Bei ihrer ersten Teilnahme bei „Wunder der Prärie“ vor fünf Jahren wollten sie mit einem selbst gebauten U-Boot von Mannheim nach Ludwigshafen tuckern. Aber erst konnte das Bootchen nicht zu Wasser gelassen werden, dann musste ein Motorschiff bei der Passage durch den Rhein helfen. Erst mit etlichen Stunden Verspätung gelangte man doch noch ans Ludwigshafener Ufer und zum dortigen Kunstverein.
Zur gestrigen Programmvorstellung brachte das Berliner Architektenkollektiv erste Informationen zu ihrem neuen Festivalprojekt mit. Ins Wasser geht man diesmal nicht, sondern schickt einen Panzer durch die Innenstadt. Der ist ganz harmlos und aus Holz und natürlich wieder selbst gebaut. Die Aktion soll an die Amokfahrt eines verliebten GIs in den 80ern erinnern, die damals tödlich und im Neckar endete. Der Kunstpanzer im Stadtraum soll Diskussionen auslösen, wie es in Mannheim jetzt weiter geht ohne Amerikaner. „Cold war/hot dogs“ heißt die Kunstaktion.
Das Festival wird mit weiteren Projekten im Stadtraum vertreten sein, teilweise an anderen Spielstätten wie der Alten Feuerwache oder der Galerie Stoffwechsel. In der Galerie wird Stefan Römer eine Dokumentation mit Fotos und Filminterviews zum Mannheimer Stadtteil Jungbusch zeigen, in dem auch Zeitraumexit sein Domizil hat. In eine Kleingartenanlage draußen im Stadtteil Käfertal begibt sich die Arbeitsgemeinschaft Anastrophale Stadt. Die Gruppe um den Medienkunst-Professor Georg Winter wollte vor zwei Jahren als Festivalbeitrag die Thunfischzucht im Mannheimer Hafen in Gang bringen. Am Mangel an Salzwasser ist dies aber gescheitert. Diesmal will man sich Anregungen für die städtische Zukunft bei den Gartenfreunden holen. „Fähige Leute, dicht an der Pflanze“, findet Winter und ist überzeugt, dass „Utopien im Kleinen entstehen“. Ebenfalls im Stadtraum unterwegs ist die Gruppe Invisible Playground mit ihrer „Mannheim Games Tour“. Hier müssen die Besucher selber aktiv werden und vorgegebene Aufgaben lösen.
Um Partizipation geht es auch beim Hörspielprojekt „Soziale Bausätze“ von Robert Schoen und Ricarda Franzen im Festivalzentrum in der Hafenstraße. Ricarda Franzen hat schon eigene Hörspiele geschaffen, für „Wunder der Prärie“ stellt sie aber gemeinsam mit Schoen acht historische Hörspiele zusammen. Die Besucher in der alten Kantine bekommen auf ihr Tablett statt Essen MP3-Player, Kopfhörer und ein Lego-Sortiment und dürfen dann hören und bauen. Im Festivalzentrum bei Zeitraumexit gibt es auch wie üblich tägliche Gastspiele von Tanzensembles und Performancekünstlern, darunter Chun Hua Catherine Dong, Jacob Wren, Simon Mayer und Petra Zanki.
„Was soll Stadt sein? Was muss sich verändern, damit Stadt lebenswert bleibt?“, fragt Festivalleiterin Gabriele Oßwald. Die Veranstaltungen von „Wunder der Prärie“ wollen hier Denkanstöße geben und nach Antworten suchen. Die aktuellen Diskussionen in Mannheim um Bundesgartenschau, Kulturhauptstadt und die Nutzung der von der US-Armee verlassenen Areale bilden Bezugspunkte. Die Kunst soll hier „zum Stolperstein“ werden, so hofft Oßwald. Bei rund 250.000 Euro liegt der Festivaletat, 60 Prozent davon kommen von Sponsoren und Stiftungen, ein Drittel sind öffentliche Subventionen. Hauptsponsor ist die BASF.