Wunder der Prärie: Wagner und Bitterli geben zu denken
Es gibt kein Entrinnen, keine Befreiung aus der Schuld in der Religion des Kapitalismus. Alles, ja sogar die eigene Person werden in der Erwartung auf Gewinn zur Ware. In diesem Bekenntnis ist das "Selfie" die Ikone der Selbstpräsentation, das als Höhepunkt mithilfe eines "Selfie-Toasters", der ein zuvor aufgenommenes Selbstporträt auf eine Scheibe Weißbrot toastet, zu einer Art Hostie wird, die man sich einverleibt.
In seiner Mischung aus Essay und Performance unter dem Motto "Zaster & Zombies", auf dem Festival Wunder der Prärie im Zeitraumexit uraufgeführt, beleuchtet der Künstler und Utopieforscher Otmar Wagner Aspekte des Fremden und der Entfremdung unter den Bedingungen des Kapitalismus. Geld ist Gott und Gott ist Geld. Und Geld ist das allumfassende Maß des Denkens, Fühlens und Handelns, dem sich alle bis ins Detail unterordnen. Dazu gehört auch das Thema der Flucht, das für ihn ein ökonomisches und ein politisches ist. Eine Unterscheidung zwischen politischen und Wirtschaftsflüchtlingen lehnt er ab, denn Ökonomie ist, so Wagner, Politik. Mit Unterstützung der Zuschauer, die mit Löffeln auf Bierflaschen klimpern, verzerrt er in einer Collage die fremdenfeindlichen Aussagen von Pegida und Co. ins Lächerliche und unterstreicht damit die Absurdität solcher Haltungen.
Wohltuende Leichtigkeit
Einen zumeist tabuisierten Ort hat die österreichische Künstlerin Milli Bitterli mit einem Hospiz für ihre Performance gewählt. Für ihr Projekt "Was bleibt?" tanzte sie seit 2004 immer wieder dieselbe Bewegungschoreographie an verschiedenen Orten. Eine wohltuende Leichtigkeit erfasst Kranke wie auch die Pflegekräfte des Hauses, die sich auf das Projekt einlassen. Die Gesichter entspannen sich, die Schwere des Ortes verfliegt, zumindest für eine Weile. Und am Ende der Film- und Liveperformance kommt der Zuschauer zum Fazit: "Letztlich ist das, was bleibt, das was gerade ist."
Bettina Henkelmann