Performancefestival: Künstler beschäftigen sich mit Mannheim und dem Thema "Fremd"
Das Fremde ist das Leitmotiv des 9. Performancefestivals „Wunder der Prärie“ in Mannheim. Organisator des Festivals ist zeitraumexit im Jungbusch. Gabriele Oßwald, Wolfgang Sautermeister und Tilo Schwarz, die künstlerischen Leiter von „Wunder der Prärie“, sind auch während des laufenden Jahres in dieser interdisziplinären Kunstgattung, die Bereiche des Tanzes, des Theaters und der Bildenden Kunst in sich aufgenommen hat, unterwegs. Und waren es schon, als sie das Festival, angelehnt an den Titel des Disney-Tierfilms aus den 50er-Jahren, ins Leben riefen.
Performance wird in der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Diese handlungsorientierte Kunst interveniert ins Alltagsleben, reagiert spontan und oft verblüffend aktuell auf die Lebens-wirklichkeit. Die Grenzen zwischen Darstellern und Publikum werden dabei bewusst offen gehalten.
Schon zu Beginn seiner Existenz erfreute sich „Wunder der Prärie“ großer Beachtung. In Süddeutschland ist es das einzige Festival dieser Art. International wird es möglicherweise stärker wahrgenommen als in der Region selbst. Namhafte Performancekünstler aus aller Welt wollen bei diesem Festival auftreten. Dieses Jahr sind Fernando Belfiore aus den Niederlanden, Juan Gabriel Harcha aus Chile sowie mehrere bekannte österreichische Performancekünstler mit dabei.
Nerv der Zeit getroffen
Mit dem Motto „Fremd“, so scheint es, traf das Festival dieses Jahr den Nerv der Zeit. Gerade in einer Zeit, in der sich Hunderttausende auf den Weg in die Fremde machen, um eine neue Heimat zu finden, könnte nichts näher liegen als dieses Thema. Zwar spielt die Offenheit für die Gegenwart bei den Machern des Festivals sicher immer eine Rolle, aber allein auf diesen Aspekt von „Fremd“ wollen sie sich nicht festlegen lassen. Dieses Jahr geht es nämlich vor allem um das Fremde in uns selbst, um Randexistenzen, Grenzsituationen und um Momente, in denen erlernte Seh- und Verhaltensweisen nicht mehr weiterhelfen.
Anders als in den vergangenen Jahren, ist dieses Jahr die Struktur des Festivals viel stärker dezentral ausgerichtet. Diese Entwicklung setzt sich damit bewusst von der immer größeren, unübersichtlicheren und beliebigeren Festivalstruktur ab, die unter einem selbst erzeugten Wachstumsdruck steht. „Wir wollen uns nicht allein auf diese Orime-Time-Blockbuster reduzieren lassen, sondern den Aktivitäten der Akteure mehr Nachhaltigkeit verleihen, dies ist nur dezentral möglich“, sagt Carolin Reichmuth, die Pressesprecherin des Festivals. Deshalb findet das Festival dieses Jahr nicht mehr nur ein einer Spielstätte, in den Räumen von zeitraumexit, statt, sondern gleich an mehreren Spielstätten der Stadt verteilt, den sogenannten „Durationals“. Diese befinden sich sowohl im Jungbusch als auch in der ehemaligen Stadtgalerie S4, 17, direkt in der Innenstadt sowie mitten in einer leerstehenden Videothek in der Meerfeldstraße im Stadtteil Lindenhof.
Spielorte mit Laborcharakter
Diese Orte sind fast an allen neun Festivaltagen zugänglich. Dort finden jeweils unterschiedliche Aktivitäten statt, so zum Beispiel „Tischgespräche“ und „Trainingseinheiten für einen inklusiven Humanismus“. Dazu werden Menschen eingeladen, die an den Schnittstellen unserer Existenz, zum Beispiel als Pfleger auf den Intensivstationen der Krankenhäuser, stehen. Diese „Durationals“, so Carolin Reichmuth, „haben Laborcharakter, wo Kunst und Lebensweilt zusammentreffen. Sie sollen Anregungen geben, die über den Tag hinaus Bedeutung haben.“
Helmut Orpel