Mit ihrem Festival "Wunder der Prärie" widmet sich die Mannheimer Künstlergruppe zeitraumexit unter dem Titel "Laut geträumt" dem Thema Stadtarchitektur
Von einem Festival, das unter dem Namen „Wunder der Prärie“ urbanes Leben in Mannheim zur Debatte stellt, darf man alles erwarten, nur keine brave Konventionalität. Seit Jahren bereichert das Künstlerhaus Zeitraumexit damit die Kulturszene. Zu jährlich wechselnden Themen beackern internationale Künstler den städtischen Raum. „Laut geträumt“ heißt es diesmal. Gemeint ist damit die Wandlung der städtischen Architektur.
Sie zu erleben und darüber zu debattieren laden festivalspezifische Aktionen noch bis zum 28. September im öffentlichen Raum ein. Dazu gehört auch ein Panzer, der auf dem Alten Messplatz steht und aufgeklappt als Bühne für nachmittägliche Podiumsdiskussionen über die Konversion der amerikanischen Streitkräfte dient.
Die ersten Darbietungen auf der Bühne bei Zeitraumexit im Jungbusch selbst träumten indirekter. Wovon hier alle Künstler träumen, das sind neue Wege zu künstlerischer Authentizität: heraus aus den abgrenzenden Verkrustungen von bildender Kunst, Theater, Konzert, Tanz, Literatur, theoretischem Diskurs. Sie vermengen das Unterschiedliche, arbeiten mit Verschmelzungen, Cross-over, Zitaten, immer auf der Suche nach neuen Betätigungsfeldern und Ausdrucksformen für eine Kunst, die in ihrer Zeit stehen will. Alles ist Performance, die den Blick in vernachlässigte Tiefen und auf unerwartete Zusammenhänge richtet: eine Auktion so gut wie Party-Geschwätz.
Seit vier Jahrzehnten treibt dies Künstler um und wird inzwischen ansatzweise auch an Akademien gelehrt. Zu beobachten ist, repräsentativ bei Zeitraumexit, eine Verschiebung von der bildenden Kunst, wo im Happening die publikumswirksamen Anfänge lagen, hin zu einem Theater in Bildern von oft statischer Natur.
In Performance-Stücken pflegte der Performer zu leiden, in „White on White“ litt das Publikum. Es bekam pausenlose 150 Minuten Gerede in Euroenglisch zu hören, wo eine Auseinandersetzung mit Rassismus erwartet wurde. Zuerst sausten die „beautiful boyz“ Iggy Malmborg und Johannes Schmitt, in bequeme Rollsessel gefläzt, über die Bühne, rauchten, schlürften Sekt aus Plastikbechern und bewarfen die Zuschauer mit Erdnüssen. In Party-Smalltalk brabbelten sie über Gott und die Welt, während eine dunkle verfremdete Stimme von der Innenwelt der Außenwelt orakelte. Dann schritten sie zu persönlichen Ergüssen, der eine über erhebende Erlebnisse in der Berliner Theaterszene, der andere über Bierfreundschaften in der Kneipe. Das war schwer zu ertragen und, von einem Schweden und einem Deutschen auf Englisch vorgebracht, von unfreiwilliger Komik.
In „First Life, ein Melodram“ wollten Verena Billinger und Sebastian Schulz vermutlich viel Allgemeines und Tiefschürfendes aussagen. Was sie darstellten, war eine alltägliche Liebesgeschichte. Und das war gut so und anrührend. Zwei junge Menschen treten ans Mikrophon (ihre Nacktheit ist ein abgedroschenes und daher überflüssiges Ritual) und lesen abwechselnd Statements zum Entstehen, Andauern und Absterben ihrer Liebe. Die Stimmen sind tonlos, die Mienen unbewegt. Sie gehen als Freunde auseinander, nehmen es leicht. Wie leicht, führen sie beschwingt im Tanz vor. Zum Schluss stehen sie kopf, wieder nackt. Was ist, wo ist die Liebe? Sie ziehen sich wieder für ein konventionelles Leben an, sie brauchen die Liebe nicht.
Dragana Bulut ist Tänzerin und Choreographin, was jedoch ihren Auftritt zum unvergesslichen Erlebnis machte, waren Idee und darstellerisches Talent. Ihre Kunst spaltete sie in Objekte auf und brachte diese in einer Auktion meistbietend an den Mann oder die Frau. Es waren materielle, wie eine CD der Musik oder ihr Trikot, und immaterielle, wie der Augenblick. Als Polaroidfoto wollte ihn keiner haben, doch eingefangen im Marmeladenglas ging er für elf Euro weg. Die abrupten Wechsel zwischen routinierter kalt rechnender Auktionatorin und empfindsamer Künstlerin, die „alles gegeben hat“, rissen die Zuschauer mit, so dass viel ersteigert wurde, manches unter Wert, wie 24 Stunden mit der Künstlerin für 54 Euro. Zeitraumexit hat die originelle, souverän agierte Performance in Amsterdam ersteigert. Günstig, verriet Veranstalterin Gabriele Oßwald, aber nicht zu einem Dumping-Preis.
Weniger zu fesseln vermochte die ebenfalls aus dem Balkan stammende Petra Zanki. Ihre vierzigminütige Choreographie „Paces“ besteht aus Schwungübungen in ständiger Wiederholung, die sich allmählich verändern. Die Struktur ist einleuchtend, die Optik ermüdend und langweilig.
Von Heike Marx