Wunder der Prärie: Das Festival träumt von 18. bis 28. September laut von Veränderungen im öffentlichen Raum
MANNHEIM. „Wunder sind wie Pickel“ sagt Daniel Handlers Kinderbuchheld Lemony Snicket in einem seiner Romane. „Wenn du einmal angefangen hast nach ihnen zu suchen, dann findest du mehr davon, als du jemals geträumt hättest.“ Das ist jetzt nicht nur ein albern süffisantes Eingangszitat, auch wenn es als solches durchaus Potenzial besitzt. Nein, Handler schiebt hier nämlich zwei Außenseiter der heutigen Gesellschaft ins Rampenlicht; einer Gesellschaft in der Hautunreinheiten und Wunder gleichermaßen verpönt sind. Gegen erstere geht eine mächtige Industrie mit harten Plastiktuben vor und die Wunder macht sich in der Regel jeder selbst kaputt. Nüchtern, rational und vor allem belegbar muss sie sein, die Welt, in der wir leben. Da gibt es allerdings und glücklicherweise nur eine Schwierigkeit: sie ist es nicht.
Als die Macher des Festivals Wunder der Prärie vor guten zehn Jahren anfingen, bekannte Vertreter und Nachwuchs der darstellenden Künste nach Mannheim einzuladen, war der Titel eine augenzwinkernde Stellungnahme zur kulturellen Gesamtlage der Stadt und das weit verbreitete Bild von Mannheim als künstlerisches Brachland weit ab vom Schuss.
Einiges hat sich in den letzten Jahren verändert und verschoben, so dass man sich hier vielleicht mittlerweile nicht mehr ganz so verloren vorkommt, wenn man sich mal in den etablierten Kulturmetropolen der Republik umsieht. Aber trotzdem bleibt noch einiges zu tun in dem beschaulichen Doppelflussstädtchen.
Die diesjährige Ausgabe von „Wunder der Prärie“ setzt sich daher unter dem programmatischen Titel „Laut geträumt“ vom 18. bis zum 28. September mit den jüngsten Brachen und Leerstellen des Stadtplans auseinander.
Von den großen Tagesthemen wie den Planungen zur Bundesgartenschaubewerbung oder den neu zu gestaltenden Konversionsflächen nach Abzug der US-amerikanischen Streitkräfte bis zum ganz persönlichen Spielraum in der Stadt liest sich das elftägige Programm wie eine herzliche Einladung den bekannten Stadttraum noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Arbeitsgemeinschaft Anastrophale Stadt, die 2011 von Georg Winter für das Wunder der Prärie gegründet wurde und einigen vielleicht noch mit ihrer Untersuchungsstation im Hafenbecken in Erinnerung ist, kehrt zurück und wird sich in der Feudenheimer Au mit den Möglichkeiten der Kleingartenanlage als Zukunftsmodell im städtischen Raum auseinandersetzen. Eine Analyse der Möglichkeiten und Gegebenheiten also zwischen Vereinstraditionen und städtebaulichen Neuansätzen.
Raumlaborberlin, die 2008 mit ihrem selbst gebauten UBoot zur Angstüberwindung auf dem Fluss einluden, werden mit ihrer innerstädtischen Interventionsinstallation „cold war/hot dogs“ nach den gesellschaftlichen Spuren der nun abgezogenen amerikanischen Streitkräfte suchen, die das Stadtbild über viele Jahrzehnte hinweg mitprägten und aktiv mitgestalteten. Mit einem selbst gebauten Panzerfahrzeug, das auch an die tragische Selbstmordfahrt eines amerikanischen Soldaten im Sommer 1982 durch die Mannheimer Innenstadt erinnern soll, und dem Collini Social Club, den Jan-Philipp Possmann und Oliver Rack als mobile Agora zwischen Diskussionsforum und Minibar gestalten werden, wird im Gespräch mit Experten und Aktivisten dem urbanen Lebensraum unter vielen Aspekten auf den Grund gegangen.
Das Künstlerkollektiv Invisible Playground lädt mit „The Mannheim Games Tour“ zum Spielnachmittag zwischen performativer Intervention und Rückeroberung des öffentlichen Raums ein.
Die beiden Theatermacher Melanie Mohren und Bernhard Herbordt sind zu Gast mit ihrer Performance „Das Stueck (Intervention)“ und bauen aus dem alltäglichen Leben in der Stadt ein interaktives Schaustück. Und Costas Kekis und Quim Bigas Bassart übersetzen in ihrer Tanz-Performance „Brunswick Centre 1970s“ städtische Architektur und Performance in ein nachdenkliches Spannungsfeld, das sich auf die Suche nach ungenutzten Flächen und unbrauchbaren Räumen im modernen Stadtbild macht.
Neben vielen Aktionen im öffentlichen Raum werden auch das Festivalzentrum im Künstlerhaus Zeitraumexit, sowie die Alte Feuerwache und die Galerie Stoffwechsel zu Orten der Wundersuche in elf klug gebauten Tagesetappen, die sich mit aktuellen sozialen und politischen Themen auseinandersetzen und an den Schnittstellen zwischen darstellender und bildender Kunst nach neuen Wegen suchen.
Und wenn sich dabei das ein oder andere Wunder findet, dann sollte das kein Schaden sein. Bernd Mand