Mit der Farbe der Flamingos

Rhein-Neckar-Zeitung
09/21/2015

„Wunder der Prärie“ 2015 – Eröffnung des internationalen Festivals für Performancekunst und Vernetzung in Mannheim

Eigentlich müsste man von „Pinkformance“ sprechen. Denn die Farbe der Flamingos dekoriert und koloriert die „Wunder der Prärie“, das Internationale Festival für Performancekunst und Vernetzung, nun schon zum 9. Mal, innovativ und unkonventionell wie immer, jetzt aber noch größer. Darum beginnt die Eröffnung zunächst in den Räumen der ehemaligen Stadtgalerie Mannheim in S4, 17. Es grüßt stellvertretend Wolfgang Biller vom Kulturamt, der wirklich gerne hier ist. Gabriele Oßwald von der künstlerischen Leitung betont die Vernetztheit ihres Festivals, die Nachwuchsförderung, die es leistet, sowie den Dialog mit dem Publikum, den es anbietet.

Danach muss man aufpassen, keinen Ball ins Gesicht zu kriegen. Denn Torball ist Hauptattraktion der Installation und Performance „Training“ des Künstlerduos „hoelb/hoeb“. Eine äußerst engagierte Wiener Gruppe inszeniert im kleinen Maßstab ein „Länderspiel“ einer österreichischen gegen eine deutsche Auswahl. Torball ist ein Ballspiel für Blinde, der Ball wird unter eine tief gespannte Schnur in ein gegnerisches Tor gerollt. Im Original eine äußerst dynamische Sache. Hier reicht es nur zur Andeutung, die übrigens 7:7 endet. Aber es geht nicht um schnelle Bälle, es geht um Inklusion, um das Fremde, um andere Perspektiven, um Rollentausch. Ein Gesamtkonzept, welches das Kleine, scheinbar Beiläufige zustande bringt. So wandelt man umher und entdeckt in einem Nebenzimmer auf einem Mauersims einige mit Tesa zusammengeklebte Utensilien, die sich als die „Musikkoffer“ von Ralf Betz entpuppen, welcher nicht spricht, aber ein Gefühl für Kunst hat.

Die Künstler F. Wiesel haben dagegen ein Gefühl für Inszenierung der Einsamkeit. Nun wieder in der Hafenstraße, dem Terrain von „zeitraumexit“, wird man durch verschiedene Türen, die einem Wege durch ein Labyrinth zu öffnen scheinen, in ein Zimmer geführt, das echten Cineasten bekannt vorkommt, mit dem Interieur von Tarkowskijs Science-Fiction-Klassiker „Solaris“.
Ein alter Computer, ein wilder Haufen von Papieren und Notizen auf dem Tisch, allesamt Zeugnisse der Vergeblichkeit. Es erklingt eine Stimme mit Hinweisen und Anweisungen, es öffnet sich ein Fenster, eine Art Krümelmonster im Raumanzug lässt einen ins weite All dahinter blicken. Hier wird es natürlich nicht mehr so ganz solarisch, aber umso genüsslicher, denn wer neugierig ist, kann ein wunderbar schmeckendes Stück Schokoladenkuchen ergattern, wenn er es wagt, ein bestimmtes Fach zu öffnen.

Gesättigt steht man wieder im Hof der alten Mühle und wartet auf den Einlass zur Tanz/Performance „AL13FB<3“ des brasilianischen Choreografen und Performers Fernando Belfiore. Der junge Mann mit unglaublicher Körperathletik und Stimmvolumen tanzt zuerst über Alufolie, um sich dann darin einzupacken. Doch das genügt ihm nicht. Sein Spiel ist getrieben von der Sehnsucht nach dem Anderen, nach Liebe gar, um die eigene Fremdheit zu überwinden.
Der Reichtum an Ideen dafür ist groß, einmal fuchtelt er mit einer Leuchtstoffröhre im Stil eines Jedi-Ritters, dann hält er wieder traurige Monologe ans Publikum, schenkt einem Zuschauer gar ein Stückchen Alu. Davor hat er sich bereits die Farbe aus dem Haar gewaschen, pink natürlich. Wie gesagt, eine Schau, die besonders durch die Präsenz des Künstlers fesselt, die aber doch zu lang ausgefallen ist und deren Elemente sich nicht immer stimmig fassen lassen.
Das Publikum, wie immer so herrlich locker und fachkundig, war dennoch angetan und blieb offen für Veränderungen. Genau das macht die „Wunder der Prärie“ so lebendig. Gehen von der Farbe geheime Kräfte aus?

Franz Schneider