Genie im Pappkarton

Mannheimer Morgen
09/27/2013

Wunder der Prärie: Im Kubus begeistert "Monkeymind"

Entmenschlicht und kühl mutet die graue Kartonagenlandschaft an, als eine turmhohe Kiste der Kargheit zu entkommen versucht. Der Koloss wankt und läuft, keucht unruhige Laute durch ein Spielzeugmegaphon, bis er mit lärmendem Krachen fällt: Zu durchdringendem Metronom-Klopfen erhebt sich Simon Mayer aus den Trümmern seiner Trutzburg, sichtlich verschüchtert und doch von einer unbändigen Unruhe erfasst. Er hat etwas zu sagen, daran besteht kein Zweifel, aber Worte wollen nicht über seine Lippen gehen. Der aus dem Buddhismus abgeleitete Begriff „Monkeymind“ beschreibt einen unsteten, nervösen und gleichsam kreativen Geist, dessen Anziehungskraft auf der Kubus-Bühne im Mannheimer Künstlerhaus Zeitraumexit bei der gleichnamigen Konzertperformance ausgebreitet wurde.

Dramaturgische Präzision
Unter unzähligen Pappschachteln hält der Getriebene seine Preziosen versteckt. Schwingungsmembrane, allesamt großen Bassboxen entliehen und gefüllt mit klimpernden Metallstückchen oder klackenden Tischtennisbällen, erzeugen einen Unheil verheißenden Lärmteppich. Dazwischen vermisst Mayer scheu den Raum, sucht nach Worten – oder einem geeigneten Fluchtweg. Er sollte nichts von dem finden. Doch allmählich wird er zum Dirigent der verspielt-kleinteiligen Klangproduktion aus Schreibmaschine, Ballwurfautomat und mikrofonverstärkter Winkekatze, erhebt das kakophone Chaos zu einer rhythmisierten Kulisse und entdeckt in der Musik ein probates Ausdrucksmittel.
Dramaturgisch präzise arbeitet sich der Gitarrist und Songwriter mit feinem Gespür für tragische Komik an einer Welt ab, in der sensible Gemüter wie das dargestellte nur schwerlich ihren rechten Platz finden. An einem grandiosen Abend gibt Mayer herrlich melancholische Lieder zum Besten, erspielt sich charmant und gefühlvoll die Gunst des Publikums, um es grell mit wohldosiertem Wahnsinn wieder zurückzuweisen. Denn auch ein solch sympathisches Genie ist letztlich nicht zu zähmen.